„Es ist frische Luft hereingekommen“

Dr. Hugo Eberhardt hat den TÜV AUSTRIA als Direktor und Vorstandsvorsitzender in 18 Jahren aus der Depression der Deregulierung 1994 zu einer internationalen Dienstleistungsgruppe mit 1.100 Mitarbeitern geführt. 

Am 1. März 2013 ist der Chemiker in den Ruhestand getreten. Die TÜV TIMES spricht mit ihrem fleißigsten Autor über Startphasen, Highlights und Zukunftspläne.

Hat es je Momente des Selbstzweifels während Ihrer Zeit als Direktor und Vorstandsvorsitzender gegeben?

Dir. Eberhardt: Nein. Ich habe drei Leitsprüche in meinem Leben. Der erste ist: Nun erst recht. Der zweite lautet: Ich habe nie aufgehört anzufangen. Und der dritte Spruch ist: Ein Tag an dem ich nichts gelernt habe, ist ein verlorener Tag. Ohne einen gewissen Grundoptimismus kann man diesen Job nicht machen.

Sie haben 1994 das Steuer übernommen – zu einem Zeitpunkt der Deregulierung und Liberalisierung. Wie schwierig war die Situation?

Ich bin in eine Zeit hineingekommen, wo alles auf den Kopf gestellt wurde Wir hatten an die 380 Mitarbeiter und waren in einer anderen Welt zu Hause. Es gab eine Gebührenordnung, die Aufgabengebiete waren ebenfalls geregelt, Wettbewerb gab es nur in bestimmten Bereichen. Wenn es nicht anders gegangen ist, hat man eben die Gebühren erhöht. Und diese Welt war auf einmal weg. Zu den ersten Dingen meines Funktionsantritts gehörte es, die Fassungslosigkeit der Mitarbeiter wieder in Zuversicht zu drehen.

Dr. Hugo Eberhardt
Dr. Hugo Eberhardt @ TÜV Austria

Was bezeichnen Sie als die Marksteine Ihrer Amtszeit?

Spontan würde ich als erstes die Aufbauarbeit nach der Deregelierung nennen. Es galt, die Depression zu vertreiben. Wenig spektakulär, aber für die Zukunft des TÜV unverzichtbar, war die Einführung einer neuen Pensionslösung. Wäre dies in Zusammenarbeit mit der Belegschaft nicht gelungen, gäbe es den TÜV nicht mehr.  Dann ist natürlich die Internationalisierung zu nennen. 1994 haben wir die erste Auslandstochter in Griechenland gegründet. Der dortige Geschäftsführer, Herr Kaparos, hat wie eine Wundermaschine gewirkt. Heute machen wir dort 25 Prozent des Umsatzes außerhalb Österreichs – und es wird – das erlaube ich mir vorauszusagen – in Zukunft wesentlich mehr werden.

Gab es auch Überraschungen?

Ja. Positive. Dazu zähle ich sicher die Auswirkungen der Umgründung. Zuerst haben wir uns innerlich noch gesträubt. Es war anfangs gar nicht klar, wie wir die Gruppe aufstellen wollen. Schließlich gab es den Entschluss für die Holding-Lösung und die Auslagerung des operativen Geschäfts. Die Irritationen unter den Mitarbeitern waren damals enorm. Aber es ist frische Luft hereingekommen, mehr, als ich es angenommen habe.

Viele Ruheständler klagen über den Stress, den sie in ihrer Pension erfahren. Wird es Ihnen besser ergehen?

Ich denke kaum. Ich habe 35 Jahre lang 60 bis 80 Stunden die Woche für den TÜV aufgewendet. Da habe ich viel aufgeschoben, das ich jetzt nachholen werde. Ich habe sehr gut Klavier gespielt und habe von meinem Vater acht Geigen geerbt. Das will alles wieder aufgefrischt werden. Mein Trauminstrument ist das Saxophon, das ich jetzt beginne zu lernen. Es ist ein Französisch-Kurs angesagt und ich will zu den Spanisch-Kenntnissen meiner Frau aufschließen. Dann habe ich ca. 4.000 Bücher zu Hause, die lagern teilweise noch in Kisten. Und ich werde noch einige Reisen machen. Ich war wohl beruflich viel unterwegs, bewusst reisen konnte ich aber kaum. Und dann sind natürlich noch die „to do“- Listen meiner Frau abzuarbeiten. Also langweilig war mir mein ganzes Leben nie. Und wird es auch nicht werden.