ÖBAG-Chefaufseher Helmut Kern: „Das ist nicht meine Wirklichkeit“

Der Vorsitzende des ÖBAG-Aufsichtsrates, Helmut Kern, nimmt Stellung zu den Ermittlungen gegen seinen Vorstand Thomas Schmid – und warum er auch bei staatsnahen Unternehmen an Stellenausschreibungen glaubt. (INDUSTRIEMAGAZIN 12/2019-1/20209)

Interview: JOSEF RUHALTINGER

Herr Kern, angesichts der Ermittlungen zu den Umständen der Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria: In wieweit sind Sie als Aufsichtsratspräsident der ÖBAG für diese Personalie in ihrem Beteiligungsunternehmen verantwortlich?

Als Aufsichtsrat der ÖBAG bin ich für die ÖBAG zuständig. Das Verhältnis der ÖBAG zu ihren Beteiligungen – also auch der CASAG – liegt in der Verantwortung des ÖBAG-Vorstands. Das betrifft auch die Aufsichtsratsbestellungen in den Beteiligungen. Hier hat das Präsidium der ÖBAG zuzustimmen. Die Vorstände in den Beteiligungen werden allerdings von den dortigen Aufsichtsräten bestellt. Ich kommentiere daher diesen Fall auch nicht.

Der Alleinvorstand der ÖBAG, Thomas Schmid gilt als einer der Beschuldigten der Staatsanwaltschaft in der Causa CASAG. Was bedeutet das für die ÖBAG?

Es ist sehr unerfreulich, dass Thomas Schmid in der Angelegenheit als Beschuldigter geführt wird. Aber wir sind erst in der Phase eines Ermittlungsverfahrens. Wir haben im Zug der Nachschau, die bei uns von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft durchgeführt wurde, von diesem Verfahren Kenntnis erhalten. Die ÖBAG ist sehr daran interessiert, dass diese Sache schnell aus der Welt geschafft wird. Thomas Schmid kooperiert voll mit der Gesellschaft und informiert laufend über die Entwicklungen des Verfahrens..

Wird es für Thomas Schmid seitens seines Arbeitgebers Konsequenzen geben?

Wir haben von der Staatsanwaltschaft nicht mehr als den Beschluss zur Nachschau in der Hand. Die darin enthaltenen Vorwürfe gegen Thomas Schmid wurden von uns auch unter Beiziehung externer Anwälte penibel überprüft. Auf dieser Grundlage sehen wir keinen Grund, irgendwelche gesellschaftsrechtlichen, dienstrechtlichen oder sonstigen Maßnahmen gegenüber den ÖBAG-Vorstand zu setzen. Es gibt weder eine Beurlaubung, Dienstfreistellung, Suspendierung noch eine andere Maßnahme. Das ist der aktuelle Stand. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

ÖBAG-Geschäftsführer Thomas Schmid (© oebag.gv.at)

Im Frühjahr wurde Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium und Mitautor des aktuellen ÖIAG-Gesetzes einstimmig zum Alleinvorstand bestellt. Schon Monate vor seiner Bestellung wurde sein Name in den Medien fix für diesen Job gehandelt. Wie sinnvoll ist dann ein Ausschreibungsverfahren?

Die Bestellung des ÖBAG-Vorstandes erfolgte mit Hilfe eines internationalen Headhunters. Die Bewerber wurden evaluiert und eine Shortlist erstellt. Die darin Genannten mussten sich einem Hearing unterziehen. Thomas Schmid ging aus diesem Verfahren als bester Bewerber hervor.

Wie soll ein gelernter Österreicher unter diesen Umständen an objektivierte Postenbesetzungen glauben?

Da muss ich einige Korrekturen anbringen. Wenn gesagt wird, dass der Name des Vorstandes bekannt gewesen sei, dann ist das falsch. Thomas Schmid ist als Favorit gehandelt worden. Aber das darf kein Ausschließungsgrund sein, sich zu bewerben. Und Thomas Schmid war der beste Bewerber.

Warum sollte sich ein potentieller Job-Interessent an einem Assessment-Verfahren beteiligen, wenn das Rennen bereits gelaufen ist?

Ich wiederhole gerne: Die Entscheidungen sind auf Basis des objektiven Ausschreibungsprozesses gefallen. Wir haben ein sehr faires, sorgfältig geplantes und gut dokumentiertes Recruitingverfahren durchgeführt. Glauben Sie mir: Ich habe in meiner dreißigjährigen Berufslaufbahn sehr viele Posten besetzt. Daher sage ich aus Erfahrung: Wenn sich ein wirklich qualifizierter Interessent durch einen favorisierten Mitbewerber von einer Assessment-Teilnahme abhalten lässt, dann ist er vielleicht ohnehin nicht der richtige.

Werden Sie die Empfehlungen des Personalberaters öffentlich machen?

Ich hoffe nicht, dass die Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangen. Personalsuche ist eine sehr vertrauliche Angelegenheit, insbesondere zum Schutz aller Bewerber. Die Objektivität des Auswahlverfahrens ist jederzeit nachvollziehbar und entspricht allen Standards.

Themenwechsel: Das aktuelle ÖIAG-Gesetz erlaubt im Unterschied zu früheren Fassungen die Beteiligung an „für den Standort relevanten Unternehmen“. Was heißt das?

Standortsicherung, Sicherung der Arbeitsplätze- das sind zentrale Themen. Aber natürlich steht die Wertsteigerung, die im Gesetz prominent  genannt wird, bei unseren Prioritäten weit vorne. Das Potential eines Unternehmens ist für eine Investment entscheidend. Wir sind professionelle Shareholder.

Vor der neuen ÖBAG-Zentrale im IX. Bezirk

Und unter welchen Umständen kommt es zu neuen Engagements der ÖBAG?

Das Gesetz regelt dies sehr ausführlich. Die ÖBAG kann in einem vorgegebenen Rahmen und ohne Beschluss der Bundesregierung Minderheitsbeteiligungen eingehen. Dazu braucht es aber zusätzlich zur Zustimmung des Beteiligungskommittees auch einer Zustimmung des Aufsichtsrats.

Das Beteiligungskomitee ist ein Novum im staatsnahen Wirtschaftsbereich. Was passiert dort?

Das Beteiligungskomitee legt die Investitionsstrategie fest. Dieses Komitee hat sich am 4. November konstituiert, wir werden die dort entstandene Beteiligungsstrategie demnächst im Aufsichtsrat der ÖBAG besprechen. Aber ich betone, dass neue Beteiligungen nicht die Causa prima der ÖBAG sind. Oberste Priorität hat das Management und die Wertsteigerung des 25-Mrd. Euro-Beteiligungsportefeuilles der Republik Österreich.

Böswillige unken, dass in Zukunft ein Landeshauptmann nur mehr beim Finanzminister anrufen muss. Dann ruft der Finanzminister bei Ihnen an und Sie beim ÖBAG-Vorstand. Dann ist ein Werk in einer Problemregion gerettet. Ist dies ein rein konstruiertes Bild?

Das ist – verzeihen Sie den Ausdruck – Unsinn. Wir planen, intelligent in Unternehmen zu investieren, die wir entsprechend der Beteiligungsstrategie als standortrelevant einschätzen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der Fall, wie er hier beschrieben wird, in unsere Beteiligungsstrategie passen würde. Und für Mehrheitsbeteiligungen wäre darüber hinaus ein Beschluss der Bundesregierung notwendig.

Die Realpolitik zeigt uns, wie Dinge, die nicht passen, passend gemacht werden.

Diese Wirklichkeit, auf die Sie da anspielen, ist nicht meine Wirklichkeit.

Die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker fordert eine Ausdehnung des Prüfungsrechts auf Unternehmen, die einen Staatsanteil von mindestens 25 Prozent haben. OMV, Telekom oder die Casinos Austria würden davon unmittelbar betroffen sein. Was meint der ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzende zu dieser Forderung?

Ich halte davon gar nichts. Wir haben Abschlussprüfer, die Finanzmarktaufsicht, Steuerprüfer, Abgabenprüfer, Arbeitsinspektoren, Prüfer ohne Ende. Frau Präsidentin Kraker hat meines Wissens nicht erklärt, welchen Mehrwert eine Rechnungshofprüfung haben könnte. Im Gegenteil, mit dem RH-Prüfungsrecht werden Investoren und andere Anteilseigner verschreckt. Dort, wo der Staat keine Mehrheit hat, ist es definitiv eine Verschlechterung der Unternehmensposition, wenn zusätzlich zu den vielen Prüfungen eine tiefgehende Rechnungshofprüfung dazu kommt. Ich weiß nicht, wie América Móvil als Mehrheitseigentümer bei der Telekom Austria reagiert, wenn wegen unserer etwas mehr als 28 Prozent der Rechnungshof auf den Plan tritt.

Wie werden Sie die Dividendenpolitik der ÖBAG-Beteiligungen anlegen?

Wir stellen sicher, dass die Unternehmen nicht mehr Dividende ausschütten als sie wirklich verdient haben. Wir höhlen keine Unternehmen aus. Wir haben diese Dividendenpolitik auch im Vertrag mit dem Vorstand festgeschrieben. Der Vorstand bekommt keinen Bonus, wenn er in den Gesellschaften für eine überzogene Ausschüttung eintritt.

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Helmut Kern, Gesamtleiter des Ordensspitals der Barmherzigen Brüder (© Ludwig Schedl)

Zur Person

Helmut Kern (54) ist seit Mitte Februar Aufsichtsratspräsident der neuen Österreichischen Beteiligungs AG. Im Brotberuf ist der Betriebswirt Gesamtleiter des Ordensspitals der Barmherzigen Brüder. In den 1990er-Jahren baute er Deloitte Consulting in Österreich auf und übernahm die Gesellschaft 2003 durch ein Management-Buy-out unter dem Namen Beyond Consulting. Danach leitete er den Bereich Unternehmensberatung des Wirtschaftsprüfers PwC, bevor er im Sommer 2015 bei den Barmherzigen Brüdern andockte.

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Das Beteiligungskomitee

Am 4. November tagten die fünf von Thomas Schmid ausgewählten Komitee-Mitglieder das erste Mal. Das fünfköpfige Gremium prüft, ob und welche Unternehmensbeteiligungen für ÖBAG-Investments in Frage kommen. Über ein ÖBAG-Investment befinden:

  • Klemens Breuer: Der CEO des Düsseldorfer Bankhauses Lampe (Oetker-Konzern) wir bis Ende 2017 stellvertretender Vorstandschef der Raiffeisen Bank International (RBI)
  • Stefan Hamm: Vorstand der Tyrol Equity AG, einer Beteiligungsholding aus dem Umfeld des Swarovski-Clans.
  • Kari Järvinen: Der Finne war bis 2017 CEO der Solidium Oy, dem finnischen Gegenstück zur ÖBAG.
  • Michael Mendel: Der Aufsichtsratsvorsitzende der Heta Asset Resolution AG (Bad Bank der Hypo Alpe Adria) war früher Vizegeneraldirektor der Volksbanken AG
  • Pål Raaum: Der Norweger und Banker ist Chairman der PRE Management-Group, die mehrere Private Equity-Fonds managet.