ÖBAG: Das Comeback der Verstaatlichten?

Der Artikel erschien im März 2019 im INDUSTRIEMAGAZIN. In der Story wunderte ich mich über die Ausschreibungsmodalitäten des ÖBAG-Vorstandspostens – und über die Ernsthaftigkeit, mit der von Ministerium und Aufsichtsrat deren Sinnhaftigkeit behauptet wurde. Denn seit Sommer 2018 war klar, das Thomas Schmid diesen Posten will – und bekommen würde (siehe auch Interview Helmut Kern von Dezember 2019 auf meiner Homepage).

INDUSTRIEMAGAZIN 3/2019: Unter Martha Oberndorfer, erste und letzte Chefin der Österreichischen Bundes-und Industriebeteiligungen GmbH ÖBIB, war die Beteiligungsholding in erster Linie ein Sparverein. Sie sah ihr Mandat in der sparsamen Verwaltung der von 17 auf 10 MitarbeiterInnen abgespeckten Verwaltung. Aktives Beteiligungsmanagement zählte aus ihrer Sicht nicht zur Aufgabe. Türkis -Blau ist angetreten, das zu ändern. Denn die Regierung will bei den verbliebenen Staatsbeteiligungen wieder mitreden. In der ÖBIB-Konstruktion war dies nur bedingt möglich. Die Republik hatte mit dem ÖBIB-Konstrukt darauf verzichtet, eigene Aufsichtsräte in OMV, Post oder Telekom Austria zu entsenden. Das Ergebnis: Das Finanzministerium als zuständiges Ministerium war von den unmittelbaren Aufsichtsratsinformation abgeschnitten. Von Steuerung oder Kontrolle der Unternehmensanteile konnte keine Rede sein. Ehemalige Kabinettsmitarbeiter von Hans Jörg Schelling fallen heute noch in Schnappatmung, wenn sie über die Auswirkungen erzählen. Sie haben über die neuesten Akquisitionspläne von OMV-Chef Rainer Seele aus der Zeitung erfahren.

Mit dem ÖBAG-Gesetz – eigentlich ist es eine Novelle zum ÖIAG-Gesetz – soll alles anders werden. Der Übergang von der verwaltungszentrierten ÖBIB zur aktiven ÖBAG bedeutet einen Strategiewandel: Das Beteiligungsmanagement der Republik Österreich wechselt von der Defensive in die Offensive.

Das Heft in der Hand

Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) machte dies während der Verhandlungen zwischen den Regierungsparteien schon im Oktober deutlich: „Wir wollen uns über die entsprechenden Aufsichtsorgane wieder vermehrt in die Unternehmen einmischen, um Eigentümerrechte wahrzunehmen“, meinte er gegenüber der APA. Um an dieser Absicht keine Zweifel aufkommen zu lassen, wurden weitere Meldungen lanciert : „Dabei geht es nicht um Risikokapital für Start-ups, sondern um Investitionen“, zitiert die Tageszeitung „Die Presse“ einen „hochrangigen Mitarbeiter des Finanzministeriums“.

Die Vorbereitungen trugen Früchte: Das neue Gesetz sieht explizit vor, dass die ÖBAG „Beteiligungen in Österreich erwerben und wieder verkaufen darf“: Die Beteiligungsholding soll dabei das Kapital für „strategisch wichtige Investitionen in heimische Hightech-Firmen“  aus den eigenen Dividenden und Erlösen holen. Diese Passage gilt als Überbleibsel der Idee, der ÖBAG eine Art Staatsfonds nach norwegischem Muster umzuhängen. In dem Fonds sollten die Gewinne aus den Beteiligungen thesauriert werden. Dieser Plan schien dem Finanzministerium dann doch zu radikal: Daher schreibt der Minister im Einzelfall vor, wieviel Geld aus den Dividenden für Beteiligungen zur Verfügung steht. Auch begrenzt er die Höhe der Finanzierungen, die der ÖBAG-Vorstand für Projekte eingehen darf. Diese Einschränkung hat freilich auch eine Kehrseite: Sie stellt klar, dass sich die ÖBAG für Beteiligungen verschulden kann.

Dabei wird nicht nur an die „Verteidigung“ österreichischen Know hows vor asiatischen Plagiateuren gedacht, sondern es soll mit den neuen Beteiligungen auch Geld verdient werden. Für Beobachter ergibt sich ein überraschendes Bild: Die rechts-konservative Regierung denkt an Verstaatlichung. Leider war aus dem Finanzministerium dazu keine Stellungnahme zu erhalten. Alle Anfragen des INDUSTRIEMAGAZINS an den Sprecher des Finanzministers blieben unbeantwortet.

Norbert Zimmermann, Hauptaktionär der Berndorf AG (© Berndorf AG)

Kindergarten

Norbert Zimmermann hat Erfahrung mit verstaatlichten Unternehmen. Als Haupteigentümer der Berndorf-Gruppe hat er vor 30 Jahren eines gekauft und saniert. Für ihn ist es „erstaunlich, dass gerade unter einer konservativen Regierung die Idee der Verstaatlichung wieder salonfähig wird.“ Zimmermann hat 2014 an vorderster Stelle auf einem ÖVP-Ticket an der Erstellung des ÖBIB-Gesetzes mitverhandelt, bis er wegen inhaltlicher Differenzen das Mandat zurückgelegt hat.  Er kann sich den neuen Gesetzesauftrag nur mit der Unerfahrenheit der „entscheidenden Personen in der Regierung und den Generalsekretariaten“ erklären: „Sie haben das Debakel der verstaatlichten Unternehmen Mitte der 80 er Jahre nicht erlebt, weil sie noch nicht auf der Welt oder noch im Kindergarten waren.“

Ein anderer Ex-Verstaatlichten-Manager, der aber ungenannt bleiben will, drückt es weniger nobel aus: „Da wollen ein paar Pressesprecher Fondsmanager spielen.“ Befürchtet wird, dass „in der Realität Landeshauptleute oder andere Parteifreunde anklopfen, um einem regional wichtigen Unternehmen mit staatlichem Geld aus der Patsche zu helfen.“ Zwar hat das ÖBAG-Gesetz für ganz schwere Krisenfälle einen Schranken eingezogen – es dürfen keine Anteile von „zahlungsunfähigen“ oder „überschuldeten“ Unternehmen übernommen werden – dazwischen gäbe es „aber genug Graubereiche, an denen sich kein Investor ohne politischen Druck engagieren würde“, warnt der Manager.

Perlenrettung

Der Verweis auf die politische und wirtschaftliche Realität der späten 80er und frühen 90er-Jahre nervt die aktuellen Entscheidungsträger. Sie denken eher an die Austrifizierung von High Tech-Industrie wie Jenbacher, die im Juni an den amerikanischen Private Equity Fonds Advent verkauft wurde oder an die Wieselburger Autoleuchtenproduzenten ZKW, der an ein koreanisches Unternehmen ging. In beiden Fällen wollten österreichische Interessenten allein nicht das finanzielle Risiko übernehmen oder hatten zu schwache Konsortialpartner. Folgt man den Plänen des Finanzministeriums, will die ÖBAG in Zukunft bei derartigen Gelegenheiten mitmischen. Die ÖBAG erhalte die notwendige Flexibilität, um auf Entwicklungen der Eigentümerebene rasch und flexibel reagieren zu können, erklärte Finanzminister Löger gegenüber der Wiener Zeitung:  „Dazu zählen das Ergreifen von Standortsicherungsmaßnahmen genauso wie der Erwerb von Beteiligungen mit dem Hauptziel der Wertsteigerung.“ Privatisierungen würden „nicht angestrebt“, unterstreicht Löger.

Husch, husch

Derzeit gilt es, Posten zu besetzen. Wem das irrgeleitete SMS von Vizekanzler Strache in der Causa Nationalbank erinnerlich ist, bekommt eine Vorstellung, wie hart hinter den Kulissen unter den Koalitionspartnern gepokert wird. Schon die Besetzung des Aufsichtsrates erwies sich als schwierig, auch wenn die Ticketverteilung für den ÖBAG-Aufsichtsrat schnell verhandelt war: Von den sechs Kapitalvertretern werden vier von der ÖVP beschickt, zwei von der FPÖ. Dafür haben die Blauen im ÖBB-Kontrollgremium die Mehrheit. Die für Jänner angesetzte konstituierende Sitzung des Aufsichtsrates konnte aber erst Mitte Februar abgehalten werden, weil die OVP-Schwierigkeiten hatte, ihre Posten zu besetzen. Die ursprünglich als Aufsichtsratsvorsitzende vorgesehene Christine Catasta, Senior-Partnerin beim Wirtschaftsprüfer PwC, erhielt von ihren Partnern in der Sozietät nicht das erforderliche Plazet. Ihre Kollegen wollten nicht auf Klienten wie Post und Telekom verzichten, was sie bei einer Catasta-Bestellung aus Compliance-Gründen hätten machen müssen. Auch Iris Ortner, Chefin der IGO Ortner-Gruppe (Porr, UBM) wusste bei einem INDUSTRIEMAGAZIN-Interview am 7. Jänner nach eigener Aussage noch nicht, dass sie vier Wochen später im ÖBAG-Aufsichtsrat sitzen würde. Selbst die Bestellung von Helmut Kern, Gesamtleiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Wien und stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrats der Universität Wien, war ein Ergebnis hektischer Rekrutierungsaktivitäten der letzten Wochen . Er ist eine Empfehlung von Christine Catasta, die ihn noch aus seinen Tagen bei PwC als Head of Consulting kennt.

AR-Präsident Helmut Kern und Vize Karl Ochsner (© oebag.gv.at)

Posten zu vergeben

Es gibt aber noch mehr Gründe für heftiges Name-Dropping: Künftige Beteiligungen der ÖBAG müssen einen Prozess durchlaufen, der im Gesetz festgeschrieben steht: Die Übernahme von Engagements oder Finanzierungsverpflichtungen muss von einem Beteiligungskomitee abgesegnet werden, das bei der ÖBAG einzurichten ist. Dabei handelt es sich um ein fünf bis neunköpfiges Gremien, das vom Vorstand der ÖBAG mit Zustimmung des Präsidiums des ÖBAG-Aufsichtsrates ernannt wird. Dieses Beteiligungskomitee ist ein Novum, dessen Bestellung und Ausgestaltung noch unklar ist – gilt es doch, zuerst die Chefposition zu bestellen.

Der neue ÖBAG-General wird ein mächtiger Mann: Finanzminister Hartwig Löger hat die Strategie ausgegeben, dass die ÖBAG in allen Beteiligungen den Vorsitz im Aufsichtsrat anstreben soll. Und der zunächst einköpfige Vorstand muss zum Motor jenes „aktiven Beteiligungsmanagements“ werden, das sich die  ÖBAG verordnet hat.

Seit Sommer des Vorjahrs offenbaren sämtliche heimischen Wirtschaftsmedien, dass die Chef-Position für Thomas Schmid reserviert ist. Aktuell ist Schmid Generalsekretär des Finanzministeriums und Kabinettschef von Hartmut Löger in Personalunion. Davor war er im Presseteam von Karl-Heinz Grasser, Elisabeth Gehrer, Michael Spindelegger und schließlich Kabinettschef bei Hans-Jörg Schelling. Hartmut Löger hat den Doppelmagister (Rechtswissenschaften, Wirtschaft und Politikwissenschaft) in dieser Funktion übernommen. Schmid war bei der Ausgestaltung des neuen ÖBAG-Gesetzes tief involviert. Berufserfahrung außerhalb eines Ministeriums hat der gebürtige Tiroler keine.

Vorgespurt

Wenn Thomas Schmid die Position Ende März, Anfang April wirklich übernimmt, so ist seine Berufung eine österreichische Farce. Denn der Vorstandsposten der ÖBAG ist -so steht es im Gesetz – streng nach dem Stellenbesetzungsgesetz auszuschreiben. Für den neuen ÖBAG-Präsidenten Helmut Kern zählte es daher zu den ersten Aufgaben, den Ausschreibungsprozess anzuwerfen. Es gibt einen Nominierungsausschuss und es wurde ein Headhunter beauftragt. Die Bewerbungsfrist beträgt für alle Kandidaten einen Monat. Und dennoch scheint der lukrative Posten des ÖBAG-Chefs schon lange vergeben.

Der Verzicht auf einen ernsthaften Rekrutierungsprozess hat freilich seine Vorteile. Denn die Zeit drängt. Der vakante Posten der Aufsichtsratspräsidenten im Verbund muss bis 30. April besetzt werden. Bei der OMV bleibt noch etwas Luft: AR-Chef Peter Löscher wird sein Mandat erst bei der Hauptversammlung zurücklegen. Da hat der neue ÖBIB-Vorstand bis zum 14. Mai noch Spielraum.